Historische Entwicklung
Gletscher und Flüsse formen das Tal
Die Aare bei Klingnau. Aquarell von Johann Heinrich Meyer, 1794. (Quelle: Clingenowe – Klingnau. Epochen, Ereignisse und Episoden 1239 bis heute, Baden-Verlag, Baden)
Die Entstehung des unteren Aaretals begann während der letzen Eiszeit vor etwa 15'000 Jahren. Damals durchbrachen die vereinten Eismassen von Aare-, Rhone, Reuss- und Linthgletscher den Tafeljura und bahnten sich einen Weg nach Norden. Damit öffneten sie das Mittelland nach Norden und änderten die Abflussrichtung des Wassers: Anstatt Richtung Donau fliessen Aare und Rhein seit der letzten (Würm-) Eiszeit Richtung Nordsee.
Nach den Gletschern begann der Fluss das Tal zu formen. Er lagerte Geschiebe ab und führte es wieder fort. Die erste verlässliche Karte des Gebiets um Klingnau von Hans Konrad Gyger aus dem Jahre 1667 zeigt eine breit mäandrierende Aare, die stellenweise in drei grosse Ströme aufgegliedert war. Spätere Karten machen deutlich, dass die Aare ihren Hauptstrom mehrmals verlagerte. Dimension und Dynamik dieser urtümlichen Auenlandschaft sind heute kaum mehr vorstellbar; in Mitteleuropa gibt es nur noch wenige Flüsse wie der Tagliamento im Friaul oder die Rhone bei Leuk, die als vergleichbare Beispiele dienen könnten.
Karten: ALG, Baudepartement Kt. Aargau und © Swisstopo (JD062645)
Im 19. Jahrhundert prägen Hochwasser das Leben an der Aare
Ausschreibung der Bauarbeiten für die Aarekorrektion in der „Botschaft“ vom 26. Juni 1887.
Viele Bäche und Flüsse der Alpennordseite führen ihr Wasser in die Aare. Durch das Abholzen grosser Waldflächen in ihrem Einzugsgebiet stieg der Wasserabfluss nach heftigen Gewittern stark an. Immer wieder bedrohten Hochwasser die Bewohner des unteren Aaretals. 12'099 Körbe Erdäpfel und 3612 Körbe Rüben fielen 1847 einem Hochwassers zum Opfer, 153 geschädigte Bauern meldeten ihren Schaden an. Bis zu viermal mehr Wasser führte die Aare während solcher Hochwasserereignisse. Humus wurde weggeschwemmt und dafür Sand und Geröll auf Wiesen und Feldern abgelagert. Oft waren auch die Siedlungen betroffen: Keller und Parterre der untersten Klingnauer Häuser füllten sich 1881 mit Wasser und Schlamm. Verbauungen und Ablenkung der Strömung auf dem einen Ufer wirkten sich auf das gegenüberliegende aus. So musste der Auhofbesitzer mehrmals Klage führen gegen die Gippinger, weil diese mit ihren Flussbauten die Aare zwangen, ihre Erosionsenergie ans rechte Ufer zu werfen.
Die Aarekorrektion 1886-1906
Noch 1916 befestigten Bauarbeiter im Rahmen von Unterhaltsarbeiten die Ufer bei der Aaremündung. (Foto: Aarewerke AG, Koblenz)
Schliesslich beauftragte der Aargauer Regierungsrat 1878 das Baudepartement, ein Aarekorrektionsprojekt zu entwickeln. Zwischen 1886-1906 wurde das vom Bund mitfinanzierte Projekt umgesetzt, die Aare begradigt und kanalisiert. Nun zähmte ein Kanal den ehemals wilden Fluss und die ertragreichen Schwemmböden wurden landwirtschaftlich genutzt. Die Korrektion der Aare erwies sich jedoch als Projekt ohne Ende: Aus den einmal geschätzten sechs Baujahren wurden deren 20, die Kosten wurden dabei massiv überschritten.
1931 – 1935: Der Stausee wird gebaut
In der Zeit der Industrialisierung gewann Elektrizität und Wasserkraftnutzung stark an Bedeutung. In Beznau, später auch in Klingnau wurde der Bau eines Wasserkraftwerks in Angriff genommen. Das in verschiedensten Kreisen heiss umstrittene Stauseeprojekt konnte nicht zuletzt aufgrund der Wirtschaftskrise durchgesetzt werden, da sich manch einer von diesem Vorhaben Arbeit versprach. 1931 wurde mit dem Bau begonnen, 1935 entstand der 1.5 Quadratkilometer grosse Klingnauer Stausee. Damit war die Zerstörung eines der grössten Auengebiete der Schweiz besiegelt. Ein kleiner Trost aus Sicht der Naturschützer war die zunehmende Bedeutung des Sees für rastende und überwinternde Wasservögel.
Was bringt die Zukunft?
Für die Auenreste rund um den Stausee setzt sich der Kanton Aargau in den letzten Jahren mit grossem Erfolg ein: Im Rahmen des Sachprogramms Auenschutzpark Aargau wurden verschiedene Gebiete renaturiert und aufgewertet. Die bevorstehende Neukonzessionierung lässt zudem hoffen, dass weitere Verbesserungen im Lebensraum Auen in Angriff genommen werden können.