Verlandung
Der Stausee verlandet
Die Verlandungsflächen am Klingnauer Stausee bilden ein reiches Mosaik aus Lebensräumen, die an ein grosses Flussdelta erinnern. (Foto: © Oekovision GmbH)
Seit seiner Entstehung1935 ist der Klingnauer Stausee stetig am Verlanden. Das Stauen der Aare vergrösserte den Strömungsquerschnitt und verringerte die Fliessgeschwindigkeit des Wassers. In den weniger stark durchströmten Teilen des Sees blieben dadurch nach und nach riesige Mengen Sand und Feinmaterial liegen. Die ältesten Schlickbänke im Süden des Sees dehnten sich im Laufe der Zeit flussabwärts aus, ein Prozess, der heute noch im Gange ist. Sobald die Wassertiefe genügend gering ist, setzen sich auf den Schlickflächen Pionierpflanzen fest und es beginnt die Entwicklung zur Weichholzaue. Der Verlandungsprozess am Klingnauer Stausee ist bestimmend für die wechselnde Zusammensetzung von Flora und Fauna.
Zuerst Tauch-, dann Gründelenten
Berühmt war der Klingnauer Stausee als Erstes für die grosse Anzahl Wasservögel, vor allem Blässhühner, Tafel- und Reiherenten, die auf dem See überwinterten. Bis zu 10'000 Tiere konnten in den besten Jahren gezählt werden. Das Auftauchen der Wandermuschel in unseren Gewässern sorgte für genügend Nahrung. Aufgrund der zunehmenden Verlandung ist die Zahl dieser Wintergäste stark zurückgegangen. Vermehrt kamen dafür Gründelenten (Krick-, Schnatter- Spiess- und Stockenten) zum Überwintern an den Stausee; ihnen kam die Verlandung gerade recht, da sie ihre Nahrung im seichten Wasser suchen. Heute sind es vor allem sie und die im Frühling und Herbst rastenden Watvögel, die den hohen Schutzstatus des Gewässers begründen und zunächst von der Verlandung profitieren.
Limikolen brauchen Schlick
Waldwasserläufer (Foto: Werner Portmann)
Aber auch für Gründelenten und Watvögel wird der Verlandungsprozess des Sees langsam zum Problem. Sie brauchen nämlich seichte, vegetationsfreie Schlickflächen und Flachwasserzonen, um im Winter und während der Rast genügend Nahrung zu finden. Ist die Verlandung des linken Seebeckens einmal abgeschlossen und eine geschlossene Pflanzendecke entstanden, versiegt ihre Nahrungsquelle.
Projekt in Planung
Um das gesamte Spektrum der Lebensräume am Klingnauer Stausee zu erhalten, hat der Kanton unter Einbezug von Fachleuten und betroffenen Kreisen mit der Planung eines Projekts begonnen. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Flachwasserzonen und Schlickflächen im Klingnauer Stausee, da diese Lebensraumtypen am stärksten bedroht sind.
Der Aare fehlt es an Dynamik
Wie allen grossen Flüssen im Mittelland fehlt heute auch der Aare die natürliche Dynamik. Die Ufer sind befestigt, der Fluss reguliert und in ein enges Korsett gepresst. Stauhaltungen zur Stromproduktion verhindern den Transport von grobem Geschiebe. Nur feines Material wird vom Wasser mitgetragen, weshalb die Dynamik meist nur noch einseitig funktioniert: Die flussnahen Gewässer der Auen verlanden, eine nennenswerte Erosion der Ufer findet kaum mehr statt. Es fehlt die ursprüngliche Kraft und der Raum, um Ablagerungen in Gräben und Altläufen abzutragen oder gar neue Gerinne entstehen zu lassen. Nur vereinzelt sind Gegenmassnahmen möglich, indem Uferabschnitte von ihren Befestigungen befreit oder verlandete Altwasser und Gräben mittels Baggereinsatz geöffnet oder wieder mit dem Hauptfluss verbunden werden.
Natürliche Dynamik ist das Lebenselixier der Auen
Eine Aue lebt von der ständigen Veränderung, die der Fluss mit sich bringt. Hoch- und Niedrigwasser, Erosion und Auflandung wechseln sich ab und lassen ein reiches Mosaik aus verschiedenen Lebensräumen entstehen. Sand- und Kiesbänke werden aufgeschüttet und vielleicht schon beim nächsten Hochwasser wieder weggeschwemmt. Immer wieder entstehen rohe, unbewachsene Flächen, auf denen die Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt neu beginnen kann.